In guten Händen
Das Management im Handwerk ist oft weiblich – ein Erfolgsfaktor
„Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau“, hieß es in den Fünfziger Jahren. Na ja, eine starke Frau durfte sie damals zwar sein, ihre Stärken hatten sich freilich dann letztlich doch nur darauf zu beschränken, dem werten Gatten den Rücken frei zu halten und die Koffer für seine Geschäftsreisen zu packen… Das hat sich zum Glück gründlich geändert. Heute stehen insbesondere im Mittelstand in vielen Unternehmen starke Frauen nicht hinter, sondern an der Seite von erfolgreichen Männern. Oder sie behaupten sich gleich selbst als Chefinnen, mit oder ohne starken Mann nebendran.
Diese berufliche Gleichberechtigung hat es im Handwerk übrigens schon sehr früh gegeben, unter anderem als Teil der im Mittelalter begründeten Zunfttraditionen. Weibliche Lehrlinge und Meisterinnen waren damals selbstverständlich. Mitwirkende Meisterfrauen erfreuten sich höchster Wertschätzung. Sogar Frauenzünfte gab es. Nachdem die meisten Handwerkszweige dann allerdings so etwa ab der Reformationszeit zunehmend zu Männerdomänen wurden, folgte im 20. und 21. Jahrhundert endlich wieder die Trendwende. Heute führen immer mehr Frauen Handwerksbetriebe selbst oder tragen im Betrieb des Mannes in einer verantwortlichen Funktion mit zum Unternehmenserfolg bei.
Bewährtes Kompetenzprofil
Wird der Betrieb wie einst von einem Paar in Aufgabenteilung oder Seite an Seite geführt, sind interessanterweise zum Teil sogar die Aufgaben nach wie vor vergleichbar: Im Mittelalter kümmerten sich die Meisterfrauen oft um den Verkauf und die Mitarbeiterschaft, in unserer Zeit sind in der Posten-Statistik Finanzen & Buchhaltung, Marketing sowie Personal bevorzugte weibliche Domänen. Auch ein Blick in die Team-Zusammensetzung von 100 TOP-Mitgliedsunternehmen bestätigt diese Schwerpunkte: Marketing- und Managementpositionen sind häufiger weiblich besetzt, und nicht selten sind es die Ehefrauen und Lebensgefährtinnen, die hier direkt oder zumindest mittelbar auf Führungsebene mitwirken.
Handwerksbetriebe sind eben besonders häufig wortwörtlich und im besten Sinne echte Familienunternehmen, geprägt durch familiäre Eigentümer- und Führungsstrukturen sowie regionale Verwurzelung. Ihre Erfolgsgeschichte umfasst oft mehrere Generationen. Einige der ältesten 100 TOP-Mitgliedsunternehmen können sogar auf Jahrhunderte zurückblicken.
Der Geschäftsführer der Stiftung Familienunternehmen nennt das Familienunternehmen die „Urform des Wirtschaftens überhaupt“, und viele Forscher sehen den Erfolg dieses Modells nicht zuletzt auch durch die traditionell hohe weibliche Mitverantwortung gegeben. Denn das Familienunternehmen bezieht schließlich sozusagen per Definition fast automatisch weibliche Führungsqualitäten mit ein.
Zu diesen zählen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler: klare Kommunikation, Empathie und gute Motivations- und Teamfähigkeiten, eine fördernde Haltung gegenüber den Angestellten, Gewissenhaftigkeit, fachliche Neugier und hohe Innovationsbereitschaft. Für manche/n vielleicht überraschend erwies sich, dass Frauen im Vergleich zu Männern auch mutiger sind, zum Beispiel im Entscheidungsverhalten. Insgesamt in 17 von 19 Führungs-Kompetenzfeldern haben Frauen die Nase vorn, berichtete kürzlich das Harvard Business Review über die Ergebnisse einer Studie. Das Handwerk kann sich also tatsächlich glücklich schätzen, dass es schon immer zu den Wirtschaftszweigen mit starkem Frauenanteil gehört hat.
Moderne Technik – etwa Kräne, Aufzüge, digitale Instrumente – senkt zudem in den Baugewerken zunehmend die Anforderungen an Statur und Körperkraft. Für viele typische Tätigkeiten braucht man heutzutage ohnehin „mehr Grips als Bizeps“. Das macht es Frauen leichter, im Bauwesen alternativ einen praktischen Beruf zu ergreifen und sich nicht mehr nur auf Managementfunktionen zu konzentrieren. Tatsächlich entscheiden sich auch jedes Jahr mehr Schulabsolventinnen für eine Dachdecker-Ausbildung. Noch ist der Anteil sehr klein, aber er wächst kontinuierlich, Jahr für Jahr.
Doch auch die klassischen „Meisterfrau-Kompetenzen“ im Personal-, Finanz- und Vermarktungsbereich werden nach wie vor gefragt bleiben. Ein besonderes Bewusstsein für emotionale und wirtschaftliche Sicherheit, kommunikative Kompetenz auch in Fragen der Marketingkommunikation: Das sind schließlich Faktoren, die in diesen Verantwortungsbereichen eine wichtige Rolle spielen und von weiblichen Führungskräften leicht und sicher gehandhabt werden.
Hinzu kommen – typisch für Familienunternehmen – meist noch Werteorientierung, Engagement für Identität und Identifikation, Solidarität statt Konkurrenzdenken. Wo solche Einstellungen, Sichtweisen und Tugenden das Betriebsklima mit bestimmen, entsteht eine Kultur, die die Teammitglieder stärker einbezieht, als dies in den meisten Großkonzernen möglich ist.
Kein Wunder, dass Familienunternehmen auch von den externen Angestellten oft als „große Familie“ wahrgenommen werden. Man schätzt sie als ausgesprochen verlässliche Arbeitgeber, bei denen man sich wohl fühlt und denen man gern treu verbunden bleibt.
Insofern steigert weibliche Mitwirkung auf Führungsebene sogar die Anziehungskraft des Unternehmens für Bewerberinnen und Bewerber, trägt mit dazu bei, die Fluktuation gering zu halten, und bewährt sich als ausgesprochen wirksamer Faktor im Employer Branding.